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Rhys Carpenter: Die Atlantiserzählung
als reale ägyptische Überlieferung von realen historischen Ereignissen

Ein klimatisches "Bond-Ereignis" als Ursache für den
kulturellen Zusammenbruch am Ende der Bronzezeit

Thorwald C. Franke
© Januar 2017


Rhys Carpenter (1889-1980) war Professor für Classical Studies am Bryn Mawr College in Pennsylvania / USA und betätigte sich vor allem im Bereich der Klassischen Archäologie und der Kunstgeschichte der Antike. Er galt als Wissenschaftler mit teilweise unkonventionellen Ansichten, dessen Meinung dennoch geschätzt und beachtet wurde.

Im Jahr 1965 hielt er an der Universität von Cambridge / Großbritannien die J.H. Gray Lecture und wählte dafür das Thema von Kulturaufbau und -verfall im alten Griechenland. Dabei stand die Ursache für den kulturellen Zusammenbruch am Ende der Bronzezeit (um 1200 v.Chr.) im Mittelpunkt der Betrachtung. Dieser Vortrag wurde 1966 in der Cambridge University Press veröffentlicht. Seinen eigenen Worten zufolge vertrat Carpenter die vorgelegte Hypothese bereits seit über zehn Jahren, also etwa seit 1955, doch es gelang ihm nach eigenen Angaben nicht, seine wissenschaftlichen Kollegen zu überzeugen.


Bryn Mawr College

Der Vulkanausbruch von Thera / Santorini

Die Explosion des Vulkans von Thera / Santorini hielt Carpenter für die mögliche Ursache der Schwächung der minoischen Kultur, die die Machtübernahme der Mykener ermöglichte. Beide Ereignisse spiegeln sich seiner Meinung nach in der Atlantiserzählung.

Für das Ende der Bronzezeit sei der Vulkanausbruch von Thera / Santorini jedoch nicht verantwortlich. Der Vulkanausbruch steht in keinem Zusammenhang zum Ende der Bronzezeit und ereignete sich zeitlich davor: Damit ist die chronologische Reihenfolge der Ereignisse der Atlantiserzählung ins Gegenteil verkehrt.

Klimawandel und Hungersnot

Die einzige Ursache, die ein Ereignis wie den kulturellen Zusammenbruch am Ende der Bronzezeit bewirken könne, zu dem insbesondere starke Wanderungsbewegungen gehören, ist nach Rhys Carpenter eine Hungersnot. Alle anderen Ursachen wie Erdbeben, Eroberungen usw. führen nur zu einer vorübergehenden Schwächung der Kultur. Insbesondere habe es keine Invasion eines unbekannten Feindes gegeben, denn alle Seevölkernamen, die von den Ägyptern als Angreifer überliefert wurden, deutete Rhys Carpenter als bekannte südanatolische und syrische Völkernamen (S. 45 f.).

Carpenter stützte seine Hypothese maßgeblich auf eine von Hurd C. Willett 1953 beschriebene periodisch alle 1850 Jahre wiederkehrende Klimaveränderung, die das Wüstenklima der Sahara vorübergehend nach Norden in die Region des Mittelmeeres verschiebt. Heute ist diese periodische Klimaschwankung als "Bond-Ereignis" bekannt und man geht von einer Periode von 1470 Jahren +/- 500 Jahre aus.

Die nur noch gering feuchte Luft, die mit Westwinden kam, regnete an den ersten Bergen, auf die sie traf, vollständig ab, so dass alle Regionen, die östlich von Bergketten liegen, austrockneten. Carpenter konnte für Griechenland gut zeigen, dass genau diese Regionen von Auswanderung betroffen waren, während klimatisch begünstigte Orte eine Zuwanderung erfuhren. In dieses Schema kann er auch die "Rückkehr der Herakliden" nach dem Ende der Klimaveränderung und die ethnische Kontinuität Athens einordnen. Athen wurde deshalb verschont, weil die Westwinde durch den Golf von Korinth durch Berge ungehindert bis nach Attika vordringen konnten, so dass Attika von einer Dürre verschont wurde.


Titelseite

Atlantis als eine reale Überlieferung

Die Atlantiserzählung Platons beruht für Rhys Carpenter also auf historischen Tatsachen. Allerdings handelt es sich um zeitlich und räumlich verschiedene Tatsachen, die erst durch die historische Überlieferung zu einem Ort und einem Ereignis verschmolzen. In diesem Sinne ist Platons Atlantis zwar keine Erfindung Platons, wohl aber ein Missverständnis der Überlieferung, trotz starker historischer Hintergründe. Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten, dass Rhys Carpenter die Frage nach Atlantis als einem realen Ort völlig ernst nahm.

Rhys Carpenter hält es für "entirely reasonable", dass der Vulkanausbruch von Thera / Santorini der Ursprung der Atlantisüberlieferung ist. Gegen Atlantisskeptiker bringt er folgende Argumente vor:

Weitere Argumente sind:

Alle drei Ereignisse der Atlantiserzählung seien in der wirklichen Historie vorhanden:

(S. 30-34)


Rhys Carpenter

Auffällige Zurückhaltung

Es ist interessant zu bemerken, dass Rhys Carpenter erst etwa zum Zeitpunkt seiner Emeritierung im Jahr 1955 damit begann, diese Thesen zu vertreten. Rhys Carpenter beklagte sich, dass er keinen Kollegen von seinen Thesen überzeugen konnte. Wir dürfen hier einen Hinweis auf den Grund vermuten, warum Carpenter erst mit seiner Emeritierung begann, seine These zu vertreten, und warum nicht ein einziger Kollege ihm zustimmte: Weil das Vertreten solcher Thesen die Karriere beschädigt. Wir sehen hier ein Indiz dafür, dass es damals in der etablierten Wissenschaft eine dogmatische Zurückweisung von Atlantisthesen gab, die ein offenes Diskutieren rationaler Thesen nicht erlaubte.

Ebenso ist es interessant zu bemerken, dass Rhys Carpenter in seinem 1966 praktisch zeitgleich erschienenen Buch "Beyond the Pillars of Hercules", das für ein breites Publikum bestimmt war, kein Wort über Atlantis verlor, obwohl sich das Thema bei diesem Buchtitel wahrlich angeboten hätte. Die Ursache hierfür war vermutlich die Sorge, dass seine Thesen beim breiten Publikum als Unterstützung einer irrationalen Atlantisthese missverstanden werden könnten.


Titelseite

Zusammenfassung

Rhys Carpenter war offen für die Frage nach Atlantis als einem realen Ort. Platon glaubte selbst an das, was er über Atlantis schrieb, abgesehen von Ausschmückungen Platons. Auch die Überlieferung aus Ägypten hielt Rhys Carpenter für völlig glaubwürdig. Ebenso hielt Carpenter die einzelnen Elemente der Atlantiserzählung für real. Allerdings ist das Gesamtbild von Atlantis nicht real, da die Überlieferung verschiedene Ereignisse irrigerweise zu einem Ereignis verschmolz.

Bezüglich seiner These eines Klimaereignisses (heute als "Bond-Ereignis" bekannt) und einer darauf folgenden Hungersnot als zentraler Ursache für den kulturellen Zusammenbruch am Ende der Bronzezeit, lag Rhys Carpenter nach heutigen Erkenntnissen wahrscheinlich völlig richtig. Allerdings ist seine These, dass es überhaupt keine Invasion von außerhalb des östlichen Mittelmeerraumes gab und alle aus Ägypten bekannten Seevölkernamen allein auf südanatolische und syrische Völker zurückgehen, nach heutigen Erkenntnissen etwas einseitig.


Literatur

Carpenter (1966): Rhys Carpenter, Discontinuity in Greek Civilization – The J.H. Gray Lectures for 1965, Cambridge University Press, Cambridge 1966.

Carpenter (1966): Rhys Carpenter, Beyond the Pillars of Hercules – The classical world seen through the eyes of its discoverers, Band 1 der Reihe: The Great Explorers, Delacorte Press / Universal-Tandem Publishing, New York / London 1966.

Willett (1953): Hurd C. Willett, Atmospheric and Oceanic Circulation as Factors in Glacial-Interglacial Changes of Climate, in: Harlow Shapley (Hrsg.), Climatic Change: Evidence, Causes, and Effects, Harvard University Press, Cambridge/Mass. 1953; S. 51-72.


Weblinks

https://de.wikipedia.org/wiki/Rhys_Carpenter
http://atlantisforschung.de/index.php?title=Rhys_Carpenter
https://de.wikipedia.org/wiki/Bond-Ereignis
https://de.wikipedia.org/wiki/Dunkle_Jahrhunderte_(Antike)



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