Atlantis-Scout
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Eric H. Cline:
Erstaunlich oberflächlicher Umgang mit Atlantis
Thorwald C. Franke
© April 2017
Buch: Three Stones Make a Wall
In seinem März 2017 erschienenen Werk Three Stones Make a Wall – The Story of Archaeology widmet der bekannte Archäologe Eric H. Cline auch ein Kapitel von elf Seiten Länge der Frage von Thera / Santorini und Platons Atlantis.
Cline äußert die Auffassung, dass der Vulkanausbruch von Thera / Santorini der historische Kern der Atlantiserzählung sein könnte. Cline lässt zwar prinzipiell offen, ob das wirklich so ist, aber seine Formulierungen lassen deutlich erkennen, dass er tatsächlich dieser Auffassung zuneigt. Cline untermauert seine Auffassung u.a. mit Hinweis auf die ägyptische "Unwetterstele".
Da Cline die Insel Thera / Santorini nicht mit Atlantis als einem realen Ort identifiziert sondern nur als einen historischen Hintergrund für eine grundsätzlich fiktionale Erzählung ansieht, ist diese Meinung noch keine echte Überraschung. Schon etwas erstaunlicher ist, dass Cline die Auffassung äußert, dass auch "viele andere" Archäologen diese Meinung teilen würden.
Eric H. Cline
Aber das eigentlich Bemerkenswerte ist, wie oberflächlich Cline Platons Atlantiserzählung behandelt! In seiner Wiedergabe von Platons Dialogen macht er viele Fehler, und Cline übergeht manche Fragestellung, die sich aufgedrängt hätte, völlig. Einige Beispiele:
- Cline schreibt, dass die Atlantiserzählung von Solon über dessen direkte Nachkommen, also Söhne, Enkel usw., bis zu Platon überliefert worden sei. Das ist so nicht richtig. Denn Platon war kein direkter Nachkomme Solons, und die Überlieferung wird von Platon auch anders dargestellt. Es handelt sich zudem teilweise um eine literarische Fiktion.
- Cline hält die Lokalisierung von Atlantis in Platons Dialogen für ungenau. Auch deshalb sei überall auf der Welt nach Atlantis gesucht worden. Auch das ist falsch! Die angebliche Lage von Atlantis ist von Platon sehr genau bezeichnet worden, zumal der Schlamm der von der untergegangenen Insel zurückgeblieben sein soll, unmittelbar die Ausfahrt aus der Meerenge von Gibraltar in den Atlantischen Ozean behindert haben soll. Die Gründe, warum man auch anderswo nach Atlantis suchen kann, sind andere.
- Cline glaubt, dass natürliche geologische Formationen, die der Beschreibung von Atlantis ähneln, nicht Atlantis sein können, weil sie natürlichen Ursprungs sind. Auch das ist falsch! Denn laut Platon wurde die Geologie von Atlantis von Poseidon gebildet, und ist damit aus moderner Perspektive selbstverständlich natürlichen Ursprungs.
- Cline erwartet von Atlantis auch eine "relationship" zur griechischen Kultur. Auch das ist seltsam, denn Platon beschreibt die Kultur von Atlantis als "barbarisch", also nichtgriechisch. Man könnte höchstens ferne Handelsbeziehungen erwarten.
- Zu den 9000 Jahren weiß Cline nur zu sagen, dass 900 Jahre besser passen würden. Das mag durchaus richtig sein, ist aber nur ein Wunsch. Wo ist die tragfähige Begründung?
- Cline erwähnt, dass die Insel Atlantis größer als Asien und Libyen zusammen gewesen sei, und dass Platon eine genaue Beschreibung mit Maßangaben gibt. Aber diese Feststellungen lässt Cline unkommentiert stehen. Was will er damit sagen? Und wie kommt man von Platons Angaben auf die Insel Santorini?
- Atlantis wird von Cline als "mythischer Ort, erfunden von Platon" beschrieben. Das ist ein Selbstwiderspruch. Denn Platon stellt seine Atlantiserzählung weder als Mythos noch als Erfindung vor. Es könnte zwar im Prinzip eine Erfindung sein, aber auch dann wäre es immer noch kein Mythos sondern gefälschte, täuschende Geschichtsschreibung.
- Cline erzählt von den beiden Ausgräbern von Santorini, Spyridon Marinatos und Christos Doumas. Doch er lässt deren gegensätzliche Auffassungen zum Thema Atlantis und deren Verstrickungen in die politischen Verhältnisse unerwähnt.
- Cline erklärt nicht, warum in der Atlantiserzählung kein Vulkanausbruch und keine Aschewolke oder dergleichen erwähnt wird. Auch die von Cline zitierte ägyptische Unwetterstele spricht mutmaßlich von der Aschewolke.
- Cline meint, dass der Vulkanausbruch von Thera / Santorini der Hintergrund für die "ganze" Atlantiserzählung sei. Das kann nicht sein, denn was ist z.B. mit dem Krieg von Atlantis gegen Ur-Athen? Hätte man hier nicht wie z.B. Rhys Carpenter neben Santorini auch auf die Seevölkerkriege oder etwas vergleichbares zu sprechen kommen sollen?
Fazit
Eric H. Cline vertritt einen legitimen Standpunkt zum Thema Atlantis. Dennoch muss man sagen, dass Cline am Thema Atlantis gescheitert ist. Um diesem Thema in seiner Komplexität gerecht zu werden, hat Cline entschieden zu wenig Gedankentiefe investiert, und zu wenig Recherche danach betrieben, welche Wissenschaftler schon vor ihm auf überzeugendere Weise ähnliche Thesen vertreten haben.
Links
Literatur
- Cline (2017): Eric H. Cline, Three Stones Make a Wall – The Story of Archaeology, Princeton University Press, Princeton / Oxford 2017.
- Carpenter (1966): Rhys Carpenter, Discontinuity in Greek Civilization – The J.H. Gray Lectures for 1965, Cambridge University Press, Cambridge 1966.
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