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Atlantis aus Platons Leben und Lehre erklärt

Großer Ansatz, aber noch kein Durchbruch

Rezension zu: Stefan Bittner, Atlantis wissenschaftlich analysiert, 2019.

Thorwald C. Franke
© Oktober 2020



Stefan Bittner hat Philosophie, Geschichte und Theaterwissenschaften an der LMU München studiert sowie ein Kunststudium an der Universität Essen absolviert. Beruflich hat er eine Laufbahn als Pädagoge an einem Gymnasium eingeschlagen, und war als Dozent in den Fachbereichen Schulpädagogik, Allgemeine Pädagogik und Erziehungswissenschaften lehrend und forschend tätig. Promoviert hat er 1983 über Tracht und Bewaffnung der persischen Armee, habilitiert hat er 1998 über Ciceros Rhetorik als humanitärer Eloquenz. Zudem kann Bittner einen langen künstlerischen Lebenslauf vorweisen.

Damit kann man von Stefan Bittner zum Thema Atlantis einiges erwarten: Denn er hat einerseits wissenschaftlich zur antiken Geschichte geforscht und zu antiken Themen promoviert und habilitiert, so dass Niveau erwartet werden kann. Andererseits liegen seine Interessen quer zur "etablierten" Fachwelt, so dass Neues und Anregendes erwartet werden kann. Seinen eigenen Angaben nach hat er sich, mit Unterbrechungen, 35 Jahre lang, von 1985 bis zur Veröffentlichung dieses Buches im Jahr 2019, mit Platons Atlantis befasst.


Bittners Hypothese

Anders als andere Autoren versucht Stefan Bittner, die Atlantisgeschichte aus Platons Leben und Lehre zu erklären. Dazu wird die Biographie Platons diskutiert und auch die Meinung des Aristoteles herangezogen.

Bittner glaubt, dass Platon mit seinem politischen Scheitern in Syrakus eine philosophische Wende vollzog. Platon hatte – so Bittner – eine neue Naturphilosophie entwickelt, in der Gott praktisch keine Rolle mehr spielt. Deshalb auch wurde die Rede des Zeus am Ende des Kritias nicht ausgeführt, weil ein im Grunde machtloser Zeus als Blasphemie gegolten hätte. Die Dialoge Timaios und Kritias sind für Bittner die ersten Dialoge, in denen Platons Wende zum Ausdruck kommt. Der Kampf von Ur-Athen und Atlantis wird eng auf den Timaios bezogen und als eine Art kosmischer Kampf gedeutet. Nicht das moralische Versagen vor einem Gott führt zur Bestrafung durch den Gott, sondern die Übertretung der Naturgesetze führt zum Untergang, ganz von selbst und ohne Gott.

Stefan Bittner versucht, der Dichotomie von reiner Erfindung vs. vollkommener historischer Wahrheit zu entfliehen. Dazu entwickelt er eine Lehre von einem doppelten Wahrheitsbegriff. In der Rezeptionsgeschichte wird Plutarch als wegweisender Interpret erkannt. Die Überlieferung von Atlantis soll zwar grundsätzlich historisch sein, doch der historische Aspekt tritt hinter dem metaphorischen Aspekt zurück. Platon wollte mithilfe dieser Geschichte seine Philosophie demonstrieren, schmückte sie aber auch aus.

Konkret verortet Bittner Atlantis im Tal des Flusses Oued Laou, dem Wadi Laou in Nordost-Marokko, der bei dem gleichnamigen Städtchen Oued Laou ins Mittelmeer mündet. Im hinteren Bereich des Flusstales gibt es einen Hügel in einer Flussschlaufe, auf der die Königsburg von Atlantis gelegen habe. Zeitlich setzt Bittner Atlantis um 1650 v.Chr. an, also nahe dem Ausbruch des Vulkans von Thera / Santorin. Um diese Zeit besetzten die Hyksos Ägypten. Zeitgleich habe es auch einen Heerzug von Atlantis her in Richtung Ägypten gegeben. Später hätten die Phönizier, die auch beim Zug der Hyksos angeblich schon mit dabei waren, die Kultur von Atlantis maßgeblich geprägt. Der Untergang von Atlantis sei dann durch eine Überschwemmung des Tales erfolgt, so dass alles in Schlamm versank. Die Seevölker um das Jahr 1200 v.Chr. hätten mit Atlantis eher nichts zu tun.

Diese These ist zweifelsohne originell und es gefallen daran eine ganze Reihe von Aspekten:

Die These von Bittner verfolgt einen interessanten und umfassenden Ansatz, der weit mehr als nur die Lokalisierung von Atlantis zum Ziel hat. Tatsächlich wird eine Lösung der Atlantisfrage nur mit einem solchen umfassenderen Ansatz erreichbar sein.


Kritik

Die Ausführung des Ansatzes ist nicht in allen Punkten gelungen. Was die naturphilosophische Wende Platons angelangt, so ist die vermutete Wende Platons zu einer "gottlosen" oder zumindest deistisch verstandenen Welt, zu bezweifeln. Obwohl natürlich die Idee, dass eine Untat ihre eigene Bestrafung gewissermaßen von Natur aus in sich trägt, auch im Sinne Platons nicht falsch ist. Auch das Beiseiteschieben der Theorie einer "ungeschriebenen Lehre" bei Platon ist zu glatt und zu einfach (Bittner S. 88 f.). Bei etlichen Überlegungen zur Philosophie Platons stellt sich die Frage, ob der Bezug zur Atlantiserzählung nicht zu weit hergeholt ist. Es wird sehr viel über die Dialoge Philebos, Sophistes und Parmenides nachgedacht. Viele Dialoge, die normalerweise zeitlich vor dem Timaios-Kritias eingeordnet werden, werden hier zeitlich später gesehen. Diese Deutung entfernt sich sehr von "etablierten" Ansichten. Es ist die Frage, ob man eine solche große Umdeutung nicht besser zunächst unabhängig von der Atlantisfrage diskutiert hätte.

Insbesondere ist auch die Deutung der Atlantisgeschichte in einem engen Bezug zur Kosmologie des Timaios ein Problem. Natürlich bereitet der Timaios den Boden, auf dem dann die Menschen auftreten, aber den Krieg zwischen Ur-Athen als kosmischen Kampf zu deuten (Bittner S. 128, 130, 145, 419), ist übertrieben. Das ist neoplatonisch, aber nicht platonisch. Wir halten es da lieber mit Alfred E. Taylor: "It is a false assumption that the story is a relevant prelude to the Timaeus itself"(Taylor 1928). Natürlich kann man sagen, dass in einem sinnhaften Universum jeder Kampf ein kosmischer Kampf ist, denn Mikrokosmos und Makrokosmos entsprechen einander. Aber diese Deutung darf man nur "schwach", nicht "stark" anwenden, denn Platon ging es um eine politische, also um eine höchst "irdische" Deutung. Zudem ist es sehr fraglich, ob die Götter die Atlanter zur Strafe in einen ungerechten Krieg trieben (Bittner S. 142), denn die Götter handeln im Sinne Platons immer gut, nie schlecht, wie Bittner an anderer Stelle selbst bemerkt (Bittner S. 329).

Hinzu kommt, dass durch die Überlagerung der politischen Deutung durch den kosmischen Aspekt und durch die Verwirrung um einen gedoppelten Wahrheitsbegriff eine große Unklarheit entsteht, was man wie und warum für wahr halten soll. Die Deutung von Bittner kommt so in eine Art Schwebezustand zwischen realer und allegorischer Deutung, der allen wohl und niemand wehe will. Einerseits ist von Realität die Rede, andererseits wird die Atlantisgeschichte "mythenhaft" genannt und 'Ur-Athen' und 'Atlantis' werden sorgsam das ganze Buch hindurch in einfachen Anführungszeichen geschrieben, um deren angebliche Mythenhaftigkeit immer im Bewusstsein des Lesers zu halten. Am Ende finden sich alle Deutungen darin wieder, und die Ausräumung von harten Widersprüchen zwischen verschiedenen Deutungen wird eher umgangen als aufgelöst. Einen ähnlichen Eindruck hatte man z.B. bei der Lektür der Atlantishypothesen von Rodney Castleden und Young Phyllis Forsyth, die beide mit einer Erfindungsthese beginnen, sich dann aber immer mehr einer realen Lokalisierung öffnen; bei Bittner ist es dasselbe, nur umgekehrt. Auch die Ausführungen zur Art und Weise, wie Platon seine Platonischen Mythen konstruierte und verstand, sind unzureichend. Bittner kommt nicht wirklich über die Ratlosigkeit des Plutarch hinaus und liefert keine Kriterien, wie man reale Überlieferung und Platons Zutaten auseinanderhalten soll.

Ganz wie Gunnar Rudberg deutet Bittner die Atlantisdialoge als Ausdruck des Bruches, den Syrakus verursacht hat. Doch die "etablierte" Wissenschaft ist sich sehr einig darin, und wir pflichten ihr bei, dass die Atlantisdialoge im Großen und Ganzen noch das politische Paradigma der Politeia reflektieren. Der wahre Bruch kommt erst mit den Nomoi. – Es ist auch keinesfalls klar, dass die Lehre, die Dionysios II. gegen den Willen Platons veröffentlichte, eine Naturphilosophie war.

Die Darstellung der Rezeptionsgeschichte bei Bittner ist eine einzige Katastrophe. Bittner ist hier ganz offensichtlich das Opfer der äußerst tendenziösen und oft einfach nur falschen Darstellung der Rezeptionsgeschichte bei diversen Atlantisskeptikern wie etwa Sprague de Camp, Diskin Clay oder Vidal-Naquet geworden. Wer sich auf solche Literatur verlässt ist verlassen. Im Einzelnen: Es ist falsch, dass Aristoteles generell ein philosophischer Gegenspieler Platons war, und insbesondere falsch, dass er sich explizit gegen die Existenz von Atlantis ausgesprochen hätte. Das ist ein kollektiver Irrtum, der Anfang des 19. Jahrhunderts in die Welt kam, und 2010 von Thorwald C. Franke erkannt und benannt wurde. Es ist auch ganz falsch, dass sich die Kritik der ersten anonymen Kritiker zuerst an Atlantis festmachte und dann erst auf die Politeia übersprang (Bittner S. 40, 417) – es ist genau umgekehrt. Es ist auch falsch, dass Poseidonios Atlantis teils metaphorisch, teils als "Teilgeschichtlichkeit" deutete (Bittner S. 41). Ebenso falsch ist es, dass Diodor Atlantis als Erfindung abtat. Diodor hatte überhaupt keine eigene Meinung zu Platons Atlantis, sondern überlieferte nur einige Texte anderer Autoren, die auf Atlantis hin interpretiert wurden. Plinius bestritt die Existenz von Atlantis keineswegs, sondern zweifelte vor allem an dessen Größe. Dass Ptolemaios auf seinen Karten keinen Kontinent im Atlantik einzeichnete, ist trivial: Atlantis soll ja versunken sein. Numenios wiederum, der 500 Jahre nach Platon der erste namentlich bekannte Atlantisskeptiker überhaupt war, wird von Bittner fast schon als Atlantisbefürworter dargestellt. Auch Aelianus war nicht gegen die Existenz von Atlantis, seine Meinung ist nicht überliefert. Iamblichos hielt die Atlantisgeschichte keineswegs für weder real noch allegorisch, sondern für beides zugleich. Auch Proklos hielt es für beides zugleich, d.h. u.a. auch für real. Schließlich ist es auch falsch, dass das Mittelalter zu Atlantis schwieg. All das hätte man in dem nur drei Jahre zuvor erschienen Werk "Kritische Geschichte der Meinungen und Hypothesen zu Platons Atlantis" von Thorwald C. Franke ausführlich dargestellt finden können. – Dennoch ist es glücklich, dass Bittner erkannt hat, dass Plutarch mit seiner Deutung eine wichtige Rolle in der Rezeptionsgeschichte einnimmt. Sehr gut!

Die Datierung von Bittner folgt keiner akzeptablen Methodik (Bittner S. 242-247). Bittner geht mit beachtlicher Systematik alle "gängigen" Methoden durch und pickt sich dann diejenige heraus, deren Ergebnis ihm am plausibelsten erscheint. Er spielt alles durch: Sonnenjahre oder Mondjahre, Sonnenmonate oder Mondmonate, sowie die vollen 8000 Jahre oder nur 800 Jahre durch das willkürliche Streichen einer Null. Ausgerechnet die unplausibelste Methode überzeugt ihn dann: Er streicht einfach eine Null, und geht von Monaten statt Jahren aus. Hinzu kommt, dass Bittner zwar die 8000 Jahre umrechnet, nicht jedoch die 1000 Jahre Differenz zwischen den 8000 und den 9000 Jahren. Die 8000 Jahre deutet er auf das Jahr 644 v.Chr. (Sais wird Hauptstadt von Ägpyten), dann addiert er 1000 Jahre, und kommt auf das Jahr 1644 v.Chr. als Zeitpunkt des Krieges mit Atlantis.

Die historisch-kritische Methode der Datierung, die u.a. von Thorwald C. Franke vertreten wird, wird von Bittner durch mehrere falsche Annahmen völlig fehlinterpretiert. Es geht um die Angabe Herodots, dass Ägypten 11340 Jahre vor seiner Zeit von Pharao Menes gegründet wurde (mit einem gewissen zusätzlichen zeitlichen Versatz). Der erste Fehler ist, dass Bittner dieses Datum mit den 8000 Jahren analogisiert, obwohl er doch kurz zuvor selbst erkannt hat, dass diese sich nur auf die Gründung von Sais beziehen, nicht aber auf die Gründung von Ägypten. Die Gründung von Ägypten muss noch mit einem Datum vor den 9000 Jahren von Platon analogisiert werden, also z.B. 10.000 oder 12.000 Jahre. Der zweite Fehler ist, dass nicht das Jahr 3000 v.Chr. (für Pharao Menes) als reale Analogie angesetzt wird, sondern das Jahr 3425 v.Chr., als angeblich irgendeine Dynastie gegründet wurde, was aber mit Menes nichts zu tun hat. Und dann rechnet Bittner noch volle 1000 Jahre hinzu, also die Differenz zwischen den 8000 und den 9000 Jahren, wobei die 1000 Jahre selbst wiederum nicht entsprechend umgerechnet werden. Damit kommt Bittner auf das Jahr 4425 v.Chr. und findet dort natürlich nichts, was der Atlantisgeschichte entsprechen würde. Damit verwirft er diese Methode.

Bezüglich der Längenangaben zaubert Bittner etwas überraschend das Längenmaß Akaina (zehn Fuß) aus dem Hut (S. 263). Wie schon bei den Zeiten rechnet Bittner aber nicht alle Längenangaben konsequent um. Das könnte man im Einzelfall mit einer guten Begründung tun, doch diese fehlt hier. Durch diese Inkonsequenz kommt es, dass Bittner den Burghügel von Atlantis nicht vorne am Meer, sondern am hinteren Ende der Ebene platziert (Bittner S. 271). Es mag andere gute Gründe für eine solche Lokalisierung des Burghügels geben, doch dieser Grund gehört nicht dazu.

Auch Bittner gehört zu jenen, die glauben, das ägyptische Wort für Insel würde gar nicht Insel bedeuteten (Bittner S. 260). Wir möchten dem widersprechen. Die Grundbedeutung ist sehr wohl genau dieses: Eine Insel. Zwar eine Insel im Nil, meist wohl eine Sandbank im Fluss, oder ein Abschnitt im Delta, aber eben doch genau dies: Ein Stück Land, umflossen von Wasser. Nur im übertragenen Sinne dann auch ein fernes Land. Außerdem ist das Schriftzeichen für Insel und Fremdland nicht identisch, das ist streng auseinanderzuhalten. – Oreichalkos wird als Chalkopyrit gedeutet. (Bittner S. 268) – Die Aussage, dass Metalle "wie Salböl" (aloiphe) auf den Mauern aufgetragen werden (Kritias 116b), wird so interpretiert, als würde Bitumen aufgetragen. Das ist unzutreffend. Wenn überhaupt, dann wäre es "wie Bitumen", aber nicht Bitumen selbst. (S. 270) – Die Auffassung Platons, dass eine ideale Stadt besser gar keine Mauern haben sollte, findet sich erst in den Nomoi. Ur-Athen verfügt sehr wohl über eine Mauer (peribolos).

Es überrascht ein wenig, wenn Bittner nach langen philosophischen Vorüberlegungen und vielen, oft selbst zugegebenen Unsicherheiten, von "harten topographischen Fahndungskriterien" spricht (Bittner S. 301). Die Argumentation für die Lokalisierung im Tal des Oued Laou wird hauptsächlich über das Klima geführt, und über eine sehr spezielle Annahme über die Beschaffenheit des Tales, die man durchaus kritisieren kann. Damit werden dann alle anderen potentiellen Täler im gesamten westlichen Mittelmeerraum (!) ausgeschlossen, und übrig bleibt dieses eine Tal (Bittner S. 365-367). Eine wasserdichte Argumentation auf der Grundlage von positiv gegebenen Belegen ist ein solches Ausschlussverfahren nicht. Und archäologische Funde vor Ort gibt es praktisch keine.

Schließlich werden noch die Atlanten des Herodot dafür herangezogen, die gewünschte Lokalisierung zu untermauern. Doch die Atlanten des Herodot lebten definitiv im Landesinneren, nicht in einer Küstenebene, und haben mit Atlantis nichts zu tun. Es ist auch falsch, die Angabe aus dem Bericht des Herodot über die Afrikaumsegelung im Auftrag des Pharao Necho, dass man die Sonne "rechts", also im Norden, gesehen habe, dafür zu benutzen, eine Fahrtroute von Griechenland nach Libyen zu begründen. (Bittner S. 368, 369)

In der benutzten Literatur fällt positiv auf, dass Brandenstein und Görgemanns enthalten sind, auf die der Rezensent Thorwald C. Franke seit vielen Jahren prominent auf seiner Internetseite aufmerksam macht, ebenso Frankes Buch zu Herodot und Atlantis, das etwa 25mal explizit zitiert wird und auch darüber hinaus sichtlichen Niederschlag gefunden hat, auch wenn Stefan Bittner in einigen Punkten andere Meinungen entwickelt hat. Außerdem einige wichtige Werke von Heinz-Günther Nesselrath. Es fehlen aber die Arbeiten von Franke zu Rezeptionsgeschichte, außerdem das 2018 erschienene Buch "Joining the Dots – Plato's Atlantis in the Central Mediterranean" von Tony O'Connell, und weitere wichtige Werke von Heinz-Günther Nesselrath, darunter einige zu Platonischen Mythen und natürlich der große Kritias-Kommentar von 2006. Auch Gunnar Rudbergs Hypothese wurde nicht zur Kenntnis genommen, obwohl sie enge Bezüge zu Syrakus und der Wende im Denken Platons hat. Generell wäre mehr Literatur zu Platonischen Mythen wünschenswert gewesen, obwohl zuzugeben ist: Hier herrscht ein Chaos in der Wissenschaft, das erst noch beherrscht werden muss.

Ein formales Problem sind wie immer die Fußnoten, die nicht als Fußnoten gesetzt sind, sondern als Endnoten hinten im Buch zusammengefasst wurden. Das erschwert die Arbeit mit diesem Buch deutlich. Auch ist manche oft anderslautende Meinung nur in Fußnoten zu finden. Dort gehören sie aber nicht hin.


Fazit

Der Ansatz von Stefan Bittner ist erheblich breiter als gewöhnlich und das ist auch gut so. Bittner lenkt den Blick auf Fragestellungen, die sich andere Atlantisbefürworter gar nicht erst stellen und ringt immer wieder sichtlich um neue Antworten. In einigen Punkten hat er den Blick für das Wesentliche bewiesen. Viele wichtige Informationen werden zusammengestellt und können anderen als gute Basis und Ausgangspunkt für weitere Überlegungen dienen.

Die gegebenen Antworten können dann am Ende aber doch nicht wirklich überzeugen. Bittner rührt an Themen, von denen ein Durchbruch zum Thema Atlantis zu erhoffen ist, doch es ist noch nicht dieser Durchbruch. Ein Grund mag die immer noch mangelhafte Rezeption von Literatur sein, obwohl Bittner sehr viel gelesen hat. Andere Autoren haben in der Regel viel weniger gelesen und deshalb auch einen deutlich engeren Horizont als Bittner. Ein anderer Grund mag in der Übersetzung des Altgriechischen liegen. Bittner bedankt sich mehrfach bei verschiedenen Leuten für Übersetzungen. Er hat sie also nicht selbst angefertigt. Stefan Bittner weist aber darauf hin, dass er über das Graecum verfügt.

PS: Der Rezensent kündigt an, selbst zu manchen der aufgeworfenen Fragestellungen in den nächsten Jahren zu publizieren: Zur Frage nach den Platonischen Mythen. Zur Frage nach dem Stellenwert der Atlantisdialoge im Leben Platons. Zur Frage nach der konkreten Redaktion und Bedeutung der Atlantisgeschichte. Zur Frage nach einer konkreten Lokalisierung und Datierung von Atlantis als einem realen Ort. Eine derart enge Beziehung der Atlantisfrage zu tiefergehenden philosophischen Fragen jenseits der politischen Philosophie sieht der Rezensent nicht, er bleibt deutlich näher an den "etablierten" Sichtweisen der Wissenschaft (sofern es solche in diesen Fragen überhaupt gibt).

Externer Link: Bittners Buch auf der Seite des Verlages, mit Vorschau:
https://sites.google.com/view/stefanbittner/men%C3%BC/neueste-ver%C3%B6ffentlichung



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