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Rezension: Wenn das unsere Ahnen wüssten – Von Atlantis, Tacitus, Homer, Platon, Bibel, Bock-Saga und uralten Überlieferungen über unsere wahre Herkunft!, von Peter Freiherr v. Liechtenstein 2020.

Rezensiert von Thorwald C. Franke, Atlantis Newsletter Nr. 176 (25. Juli 2021). Dank geht an den Verlag Books on Demand, Norderstedt, der dieses Buch freundlicherweise für eine Rezension zur Verfügung stellte.

Bibliographische Angaben: Peter Freiherr v. Liechtenstein: Wenn das unsere Ahnen wüssten – Von Atlantis, Tacitus, Homer, Platon, Bibel, Bock-Saga und uralten Überlieferungen über unsere wahre Herkunft!, Verlag Books on Demand, Norderstedt 2020. 360 Seiten. ISBN 978-3752624656. $40.00. €35.00. £30.00.



Das Buch "Wenn das unsere Ahnen wüssten ..." von Peter Freiherr v. Liechtenstein ist ein exemplarischer Fall eines pseudowissenschaftlichen Werkes. Sowohl Autor, als auch Inhalt, als auch die gewählte Perspektive, als auch die formale Aufbereitung der Thematik sind obskur, falsch oder ungenügend, und fordern dem Leser praktisch Glauben gegen jede Vernunft ab, anstatt den Leser nachvollziehbar zu informieren.

Der Autor "Peter Freiherr v. Liechtenstein" ist in den Weiten des Internet unauffindbar. Aber auch im Buch selbst erfährt man nichts über ihn. Für gewöhnlich finden sich auf der hinteren Klappe des Schutzumschlages eines Buches einige kurze Worte zur Orientierung des Lesers über den Autor. Hier jedoch nichts. Der Autor ist dermaßen unbekannt, dass es sich wohl um ein Pseudonym handelt. Es gibt keine Kontaktmöglichkeit. Warum aber versteckt sich ein Autor, der derart weitgreifende Thesen vorbringt?

Der Inhalt vereinigt aus anderen pseudowissenschaftlichen Werken wohlbekannte Themen zu einem großen Mythenmix: Es wird ein gefährlicher – weil unwahrer – Cocktail aus Germanen, Kelten, Griechen, Bibel, spätbronzezeitlichen Seevölkern und Atlantis zusammengerührt. Kernaussage: Die Zivilisation kam aus dem "Norden". Das Buch ist so flach, dass es sich noch nicht einmal die Mühe macht, verschiedene Stufen von Kultur zu unterscheiden. Dass sich die Zivilisation schrittweise entwickelt hat, und insofern keinen bestimmten Ursprungsort hat, sondern viele Ursprungsorte, wird ausgeblendet. Die Errungenschaften der Griechen dem "Norden" zuzuordnen, weil deren Vorfahren einst aus dem "Norden" nach Griechenland einwanderten (aber wohl eher aus dem "Osten" als aus dem gemeinten "Norden"), ist grober Unfug. Völlig wahnsinnig auch, wie das Buch praktisch von einer harmonischen Einheit des germanischen, griechisch-römischen und christlichen Erbes ausgeht, denn im Sinne dieses Buch kommt das alles vom Anfang an aus dem "Norden". Begrenzt innovativ gegenüber anderen Machwerken dieses Kalibers ist vielleicht die Ersetzung des Oera-Linda-Buches durch die Bock-Saga. Beides sind Fälschungen bzw. moderne Erfindungen. Völlig ausgeblendet wird jede alternative Sicht auf die gewählten Themen.

Gefährlich ist die Perspektive des Buches, weil falsch: Ständig wird insinuiert, dass wir heute praktisch direkt identisch mit unseren germanischen Vorfahren sind oder sein sollten. Es ist das eine, in den Germanen unsere Vorläufer zu sehen und dies zu würdigen, wie es ein gesundes Nationalbewusstsein tut. Es ist aber ein anderes, die kulturelle und politische Entwicklung, die seit damals geschehen ist, auszublenden. Wir Deutschen sind keine Germanen mehr, sondern eben Deutsche, eine Kulturnation, die sich über einen langen Zeitraum entwickelte. Gefährlich ist die Perspektive des Buches auch deshalb, weil teilweise berechtigte Kritik an den aktuelle herrschenden politischen Parteien und ihren Akteuren von diesem Buch dankbar aufgegriffen und mit nationalistischen und rassistischen Motiven und Verschwörungstheorien verwoben und aufgeladen wird. Da wird munter die Verschwörungstheorie verbreitet, dass es – so wird der Eindruck erweckt – laut Churchill im Zweiten Weltkrieg nicht um Adolf Hitler und den Nationalsozialismus gegangen sei, sondern um die Versklavung der Deutschen; und dass das es bis heute so sei (S. 20).

Formal ist dieses Buch eine einzige Katastrophe. Es gibt keine Belegfußnoten. Es gibt kein Literaturverzeichnis. Das ganze Buch ist eine Aneinanderreihung von bloßen Behauptungen. Eine Orgie der zusammenhanglosen Zitate, der willkürlichen linguistischen Analogien und des wilden mythischen Assoziierens. Hier gibt es nirgendwo Halt. Der Satz "In diesem Buch werde ich mir besonders Mühe geben, die Fakten durch wissenschaftliche Funde und Untersuchungen zu belegen" (S. 20) ist der reine Hohn. Wer auch nur einen Funken Vernunft investieren will, muss ständig mühevoll recherchieren, was von den präsentierten Thesen denn stimmt. Meistens stellt sich heraus, dass der Autor seine Quellen recht großzügig interpretiert hat. So wird z.B. die Studie über die genetische Herkunft über die Philister, deren bibliographische Daten ungenannt bleiben, so dass man sie nicht nachschlagen kann, dahingehend zitiert, dass die Philister aus "Europa" kamen, und sogleich auf Spanuths Nordvölker verwiesen. Dass die Studie aber von Südeuropa spricht, bleibt ungesagt (S. 58).

Horrende Fehler finden sich. Solon wird als "ein Hochgestellter aus Ägypten" und als "Staatsmann Ägyptens" bezeichnet (S. 24). Platon sei nur der Überlieferer der Texte (S. 24). Krantor hätte in Ägypten dieselben Papyri zu Gesicht bekommen wie Platon (S. 28). Solon wird unterstellt, er wäre nach Ägypten gefahren, gerade weil er sich über die Vorzeit habe informieren wollen – den ägyptischen Priestern in Sais wird unterstellt, dass das Studium der Vergangenheit ihre Hauptarbeit gewesen sei (S. 27, 28). Der uralte Hut um Paul Schliemann und das gefälschte Testament von Heinrich Schliemann wird wieder aufgekocht, und frech die Wahrheit dieser Räuberpistole beteuert: "Das klingt jetzt alles wie in einem Hollywood-Streifen, aber genau so war es" (S. 30).

Namen werden falsch wiedergegeben. So wird z.B. aus Athanasius Kircher ein "Peter" Kircher (S. 224) Die Stadt Sais wird zu Sias (S. 27). Usw. usf. Und immer wieder werden mitten in den größten verschwörungstheoretischen und germanentümelnden Unsinn Zitate von ... Jesus eingestreut. Man fasst es kaum. Gleichzeitig wird die zwangsweise Bekehrung der Germanen zum Christentum beklagt (S. 152) ... Es wird deutlich: Das weiß einer nicht, was er will. Oder es ist ihm egal, solange ein gewisses Klientel nur sein Buch gut findet. In den noch in der Partei verbliebenen Kreisen der rechtsradikal gewordenen AfD gibt es viele verwirrte Geister, die genau so ticken, und ihre Wut über dies und ihren Zorn über das nicht in ein konsistentes Weltbild zu integrieren vermögen – denn es mangelt ihnen an Vernunft, Wahrhaftigkeit und Ordnungsliebe.

Fazit:

Ein fachlich falsches und moralisch verwerfliches Buch. Hier herrscht Chaos statt Ordnung. Insofern man den Deutschen eine Liebe zur Ordnung nachsagen kann, ist dieses Buch ein sehr undeutsches Buch.

PS 25. Juli 2021: Erst kürzlich hat die Seite Psiram Informationen über den Autor des Buches ins Netz gestellt. Siehe hier.



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